Chronik des Musikverein 1912 Rauenberg e.V.

In den Jahren der sogenannten „guten alten Zeit“, vor dem Ersten Weltkrieg, haben die Rauenberger zwar hart arbeiten müssen – in den damals vollbeschäftigten Zigarrenfabriken, in der Ziegelei Bott und als haupt- oder nebenberufliche Winzer und Bauern – jedoch sorgten drei Gesangsvereine und der blühende Turnverein für gesellige Abwechslung nach der anstrengenden Arbeit.

Was dem 1500 Seelen zählenden Dorf damals aber fehlte, war eine Musikkapelle, die den Festen und Veranstaltungen nach der Jahrhundertwende erst den vollen Glanz gegeben hätte. Musikliebende und musikalisch begabte Bürger machten sich so um 1910 Gedanken darüber, wie man hier Wandel schaffen könnte, besonders nachdem an die hiesige Volksschule mit Hauptlehrer Karl Schmitt ein Mann versetzt worden war, der nicht nur den Gesangsverein „Liederkranz“ zu dirigieren verstand sondern auch die Blasinstrumente beherrschte. Im Sommer 1912 konnte dann in vielen Beratungen geklärt werden, daß sich unter den jungen Männern des Dorfes genügend befähigte Kräfte befanden, mit denen man eine Musikkapelle aufbauen konnte.

Am 12. September 1912 wurde schließlich im Gasthaus „Zum Lamm“ die Gründungsversammlung für den Musikverein einberufen. Einstimmig wurde seinerzeit Friedrich Laier zum Ersten Vorstand gewählt, die Vereinssatzung anschließend beim Bezirksamt Wiesloch entsprechend den Vorschriften hinterlegt.

Im Oktober 1912 konnten die ersten Proben mit der Kapelle beginnen, die bereits aus 18 aktiven Musikern bestand.

Innerhalb der Kapelle herrschte sehr strenge Disziplin, z.B. wurde zu Geldstrafen herangezogen wenn man „wegen Trunkenheit nicht mitspielen kann“ oder „ohne triftigen Grund fehle“. Ohne diese „Spielregeln“ wäre es aber womöglich nicht zu dem schnellen Erfolg der Kapelle gekommen.

Bereits am 27. Januar 1913 hatte die Rauenberger Musikkapelle erstmals anlässlich der Kirchenparade zu Kaisers Geburtstag die Vereine angeführt, umjubelt und gefeiert von der gesamten Einwohnerschaft. Wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags abends, manchmal sogar am Sonntagnachmittag, wurden die Proben angesetzt. Betagte Bürger und Bürgerinnen von Rauenberg, die zu jener Zeit als Mädchen in einem Nebenraum des Lammsaals an einem Bügelkurs teilnahmen, erinnerten sich, daß der Dirigent den „Zöglingen“ energisch und mit Engelsgeduld die Tonleitern, die Melodien und schließlich das Zusammenspiel beibrachte, immer wiederholend, bis jeweils das Übungspensum klappte. Der Musikverein hielt auch eigene Konzerte im Vereinssaal „Zum Lamm“ oder als Platzkonzerte ab.

Der erste große Erfolg, der die Musikkapelle weit über das Dorf und die Bezirksgrenzen hinaus bekannt machte, wurde durch die Mitwirkung beim 25-jährigen Stiftungsfest des Gesangsvereins „Liederkranz“ Rauenberg im Mai 1914 erzielt. Nicht nur durch den gemeinsamen Dirigenten und das gemeinsame Vereinslokal bestanden mit diesem Verein freundschaftliche Bindungen. Der ältere Verein hatte dem kaum zwei Jahre alten Musikverein großzügige Unterstützung in den Aufbaumonaten zuteil werden lassen.

Die selbstgestellte Aufgabe der Ausbildung von Musikernachwuchs konnte der Musikverein damals nicht mehr durchführen - der Erste Weltkrieg brach aus und setzte der erfolgreichen Aufwärtsentwicklung ein Ende.

Ein Musiker nach dem anderen mußte das Dorf verlassen. Drei kehrten von den Schlachtfeldern nicht mehr heim. Es waren Trompeter Bernhard Laier, der Posaunist Lorenz Sautner und der Trommler Karl Sautner

Doch sofort nach Kriegsende sammelten sich wieder die überlebenden aktiven Musiker in Rauenberg, langsam kam das Vereinsleben wieder in Gang. Allgemeine Not und Mutlosigkeit wie überall auch hier - Dirigent Schmitt war inzwischen versetzt worden. Trotzdem zeigten die „Jungen“ Ausdauer und so konnte im Frühjahr 1919 wieder eine Generalversammlung abgehalten werden. Sie fand in der Bahnhofswirtschaft, dem heutigen Winzerhof statt und wählte auch diese Gaststätte zum neuen Vereinslokal.

Neuer Dirigent wurde Adam Reidel aus Nussloch - ab sofort wurden wieder regelmäßig Proben abgehalten.

1924 war die Teilnahme an Wertungsblasen bei Musikfesten fällig, mittlerweile wurde die Kapelle vom früheren Militärkapellmeister Robert Graeske angeführt. Die Proben machten sich bezahlt und so erreichten die Musikanten in der Lußhard-gemeinde Oberhausen die Note „sehr gut“.

Robert Graeske wollte aber aus seiner Kapelle noch mehr herausholen, und ein Jahr später brachte die Kapelle wieder eine sehr gute Beurteilung und einen Pokal stolz in das Heimatdorf Rauenberg. Letztmals im Jahre 1934 spielten die Aktiven in ihrer alten Uniform vor dem Gasthaus „Zum Löwen“ auf. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 beschränkte sich deren Auftreten auf die Mitwirkung bei Aufmärschen.

Auch dieser Krieg forderte von den Mitgliedern des Musikvereins hohen Blutzoll. Alois Simon, Martin Spannagel, Wendelin Sautner und Bertold Ritz kamen nicht mehr heim. Nach dieser Zwangspause von 6 Jahren trafen sich wieder die Überlebenden, als Verstärkung kamen einige neue Musiker hinzu, die Kapelle war wieder komplett. Im Jahr 1950 brachte der hierher versetzte Pfarrer Hermann Neuhäuser seinen betagten Vater mit, einen Musikfachmann der alten Schule. Zur großen Freude der Musiker aber auch der Einwohnerschaft erklärte sich dieser sofort bereit, die Kapelle zu führen. Doch nur zwei Jahre war ihm dies vergönnt, dann nahm ihm der Tod den Taktstock aus der Hand.

Die Rauenberger Musik gab ihm auf seinem Heimatfriedhof Kuppenheim mit klingendem Spiel das letzte Geleit und nahm mit einem Kranz aus seiner Wahlheimat und dem Lied vom „Guten Kameraden“ von ihm Abschied. Nach der Neugründung des Vereines im Jahr 1964 wurde nachdrücklich gefordert, die Ausbildung einer Jugendkapelle durchzuführen und so konnte der Verein zum 60-jährigen Jubiläum im Jahre 1972 bereits mit 22 aktiven Musikern und einer Nachwuchskapelle aufspielen.


Bis heute ist der Musikverein Rauenberg fester Bestandteil der musikalischen Unterhaltung auf regionalen Volksfesten und Veranstaltungen. Wenn man nun fast stattliche 100 Jahre Vereinsgeschichte Revue passieren läßt, darf man mit berechtigtem Stolz und Optimismus in die Zukunft blicken, nicht zuletzt weil der Verein mit seinen Aktiven eine stabile Grundlage und den Rückhalt einer stattlichen Zahl passiver Mitglieder besitzt.